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Theory
of The Gift Economy


Intro

Kapitel 1
Am Anfang

Kapitel 2
Sprache und Denken

Kapitel 3
Reziprozität

Kapitel 4
Definition und Tausch

Kapitel 5
Die Kategorie des Menschen

Kapitel 6
Marksistische“ Kategorien

Kapitel 7
Die kollektive Quelle

Kapitel 8
Kastrationsneid

Kapitel 9
Is = $

Kapitel 10
Wert

Kapitel 11
Der Übergang zum Tausch

Kapitel 12
Wie dem Tausch Wert geschenkt wird

Kapitel 13
Markt und Geschlecht

Kapitel 14
Zu existieren verdienen

Kapitel 15
Das Zeigen und das Patriarchat

Kapitel 16
Das Zeigen des Egos

Kapitel 17
Was repräsentiert die Demokratie?

Kapitel 18
Die nicht-maskulisierten Protagonistinnen gesellschaftlichen Wandels

Kapitel 19
Traum und Realität

Kapitel 20
Schenken und Liebe

Kapitel 21
Vom Garten zum Gral

Kapitel 22
Kosmologische Spekulationen

Kapitel 23
Nach den Wörtern – die Theorie in der Praxis

Bibliography



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Was repräsentiert die Demokratie?

Die Sprache ist eine Antwort auf kommunikative Bedürfnisse, die sich gemäß ihrer Erfahrungen und Befriedigungsweisen vermehren und vervielfältigen. Diese kommunikativen Bedürfnisse überlappen zum Teil mit materiellen Bedürfnissen: Bedürfnisse danach, Dinge zu konsumieren, sie instrumentell zu gebrauchen, die Bedürfnisse in Bezug auf sie zu verstehen (unsere eigenen wie die anderer), ihre Bedeutung zu begreifen, usw.
Das gegenseitige Befriedigen von Bedürfnissen, die mit Dingen zu tun haben, erzeugt Verbindungen zwischen Menschen als Wesen, die einer Spezies angehören, als Wesen, die einander schenken und voneinander empfangen. Die Verbindungen, die von der Sprache geschaffen werden, entsprechen den Verbindungen, die vom Teilen von Dingen geschaffen werden. Doch kommt es heute kaum noch zu einem solchen Teilen. Zunächst schlicht deshalb, weil es Dinge gibt, die wir nicht teilen können – wie einen Berg oder die Farbe Rot oder die Erfüllung des Wunsches, dass es kein nukleares Zeitalter gäbe; und dann aufgrund des Mangels (der das Teilen verunmöglicht, weil es nicht genug für alle gibt), des Privateigentums und des Nicht-Schenkens. Vielleicht sind es die Unterschiede zwischen diesen Gründen, die das Teilen der Sprache so abstrakt machen und das Gehirn vom Körper zu trennen scheinen.
Wir wissen nur noch, abstrakt zu teilen, und dieses abstrakte Teilen produziert zwar Egos und Gehirne, aber keine Gemeinschaften des Friedens und des Überflusses. Wir teilen nicht konkret mit den Vielen. Wenn wir teilen, teilen wir ausschließlich im Kreise unserer engsten Familie und FreundInnen. Darüber hinaus teilen wir höchstens das Nicht-Schenken des Tausches, das uns isoliert und zu KonkurrentInnen macht und uns – wenn überhaupt – nur durch die Gesetze des Staates verbunden sein lässt. Der Tausch macht uns zu Wesen, die nur noch verbal teilen. In diesem Sinne gehören wir nicht mehr alle derselben fürsorglichen Spezies an. Anstelle dessen organisieren wir uns in verschiedenen Kategorien, die dann selbst in immer allgemeineren Kategorien organisiert werden.

Das Old Boys Network von Einen

Wir schaffen RepräsentantInnen in Regierungen, die unseren Platz einnehmen, die Gesellschaft für uns organisieren, und das bestimmen, beherrschen und rechtlich kontrollieren, was vom Schenken überbleibt: nämlich das Schenken von Gehorsam, Sozialleistungen und Steuern (die dann von den RepräsentantInnen für uns verteilt bzw. „weitergeschenkt“ werden).
Der sprachliche Wortschatz bzw. das, was Saussure langue nannte, ist ein rein differentielles System von Wörtern, in denen jedes Wort negativ auf alle anderen bezogen ist (anders gesagt: jedes Wort seinen Wert daraus bezieht, nicht wie die anderen zu sein) und positiv auf die Dinge, die es repräsentiert. Zum Beispiel ist das Wort „Hund“ zum einen das Wort, das es ist, weil es nicht „Katze“ oder „schön“ oder „Gerechtigkeit“ oder „laufen“ ist. Zum anderen ist es das Wort „Hund“, weil es sich auf Hunde bezieht.
Ähnlich sieht es aus, was das Privateigentum betrifft. Hier ist jeder Besitzer einerseits negativ auf alle anderen bezogen (da sich Privatbesitzer gegenseitig ausschließen) und andererseits positiv auf das Eigentum, das er besitzt. Das Geld – wie das Verb „sein“ – vermittelt zwischen diesen sich wechselseitig ausschließenden Elementen und schafft einen zweiten Ersatz, einen quantitativ teilbaren Wertprototyp, auf den das Eigentum bezogen werden kann. Dieser erlaubt dem Eigentum zwischen Besitzern zu wechseln, ohne dass dabei auf das Schenken zurückgegriffen werden müsste. Bedürfnissen zu schenken, impliziert Ungleichheiten – der Tausch hingegen impliziert Gleichheit und verschleiert die Bedürfnisse und das Schenken.
Über das Geld als das allgemeine Äquivalent schrieb Marx: „Man sieht es der Form allgemeiner unmittelbarer Austauschbarkeit in der Tat keineswegs an, daß sie eine gegensätzliche Warenform ist, von der Form nicht unmittelbarer Austauschbarkeit ebenso unzertrennlich wie die Positivität eines Magnetpols von der Negativität des andren. Man mag sich daher einbilden, man könne alle Waren zugleich den Stempel unmittelbarer Austauschbarkeit aufdrücken, wie man sich einbilden mag, man könne alle Katholiken zu Päpsten machen.“ Marx schreibt weiter, dass sich „eine Ware nur in allgemeiner Äquivalentform [befindet], weil und sofern sie durch alle andren Waren als Äquivalent ausgeschlossen wird.“ (Siehe Graphik 34.)
Marx spricht hier über das Geld als das, was ich den „verdinglichten Kategorieprototypen“ nennen würde. Was er als „magnetische Polarität“ ansieht, ist die Polarität zwischen dem Einen und den Vielen, dem Kategorieprototypen (und/oder dem Wort, das den Platz des Prototypen als Äquivalent für die Kategorie einnimmt) und der auf ihn (bzw. das Wort) bezogenen Objekte. In seiner Beschreibung des Geldes als des allgemeinen Äquivalents beschreibt Marx einen wichtigen Moment der Kategorieformation und der Verdinglichung der maskulisierten Kategorie (auch wenn er dies damals selbst nicht erkannte). Seine Analyse der Beziehung zwischen Geld und Ware ist berüchtigt für ihre Schwierigkeit aufgrund der Komplexität dieser Beziehung, die um vieles größer ist als es zunächst den Anschein haben mag.
In der Maskulisierung erscheint die Familie als die Kategorie, in der der patriarchale Vater der Prototyp oder das allgemeine Äquivalent ist. Er nimmt den Platz der anderen Mitglieder der Familie ein, wenn es um familiäre Entscheidungen geht, befiehlt und verlangt Gehorsam und repräsentiert die Familie in der Gesellschaft der Männer, dem Old Boys Network. Dass das Eigentum in der Struktur des Einen und der Vielen (dem Familiennamenkomplex) auf seinen Besitzer bezogen ist, haben wir bereits gesehen. Ähnlich sieht es in unseren Regierungen aus.
Interessanterweise personalisiert Marx Waren, wenn er sagt, dass sie eine unter ihnen als ihr Äquivalent wählen und dass dies eine Verkörperung des demokratischen Prozesses sei. Die Unabhängigkeitserklärung der USA postulierte, dass „alle Menschen gleich“ seien – bekannter Weise schloss dies jedoch sowohl Frauen als auch Sklaven (also die Schenkenden) vom demokratischen Prozess aus. Die Väter des Landes waren ein Old Boys Network, das aus weißen männlichen Eigentümern bestand. Gemäß der Regionen, aus denen sie kamen, teilten sich diese in Gruppen auf, in denen sie jeweils einen unter ihnen als ihr Äquivalent wählten, damit er als Repräsentant ihren Platz in den regierenden Körperschaften einnehmen konnte. Diese setzten sich also aus Einen zusammen, die ihre jeweiligen Gruppen vertraten.
Die Mitglieder des Old Boys Networks waren gewöhnlich bereits Eine innerhalb ihrer Familien sowie in Bezug auf ihr Eigentum. Als Repräsentanten trafen sie Entscheidungen, die diejenigen, die kein Wahlrecht hatten, genauso betrafen, wie diejenigen, die sie gewählt hatten. Die Gruppe, die von den Repräsentanten selbst gebildet wurde, wurde zu einer Art Meta-Gruppe, einem Old Boys Network im Old Boys Network. Als solches entwickelte es seine eigene Dynamik. Schließlich wurde von allen Wählenden auch ein allgemeines Äquivalent zur Repräsentantion aller gewählt: der Präsident.
Wenn den EinwohnerInnen einer Nation erlaubt wird, ihre Repräsentanten zu wählen, dann scheint der politische Prozess den Prozess der Kategorieformation direkter zu reflektieren als dies zum Beispiel in der Monarchie der Fall ist. Die Repräsentanten erscheinen dann nämlich nicht nur als Prototypen, sondern auch als Wörter, die den Platz aller Mitglieder der Gemeinschaft oder Gruppe einnehmen. Wie die Wörter in der langue befinden sie sich in wechselseitig ausschließlichen Beziehungen zueinander, haben aber eine positive – wenn auch polare – Beziehung zu denen, die sie repräsentieren. (Graphik 36.) In dieser Position konstituieren sie sich selbst als Gemeinschaft und schenken einander bzw. empfangen voneinander auf verschiedene Weisen, machen Geschäfte, formen Koalitionen, usw. Diese Gemeinschaft schafft ihr eigenes Leben – eines, das mit der Macht über das Leben der Vielen ausgestattet ist.
Nationale Grenzen entsprechen innerhalb dieser Logik den Grenzen der Kategorie. Diejenigen, die sich außerhalb der Grenzen befinden, sind Dinge, die nicht auf den Prototypen – oder das Wort – bezogen sind. Sie werden nicht repräsentiert, obwohl sie von den Entscheidungen, zu denen die Repräsentanten gelangen, direkt betroffen sind – insbesondere dann, wenn es sich um Entscheidungen der Nation handelt, die den Eine-Status unter den Nationen innehat.
Wenn wir uns nun zurücklehnen und fragen: „Wenn das wahr ist, was heißt das dann?“, dann werden unsere Antworten im Kategorisierungsprozess selbst verbleiben und wir werden das Problem nur wiederholen. Wenn wir uns allerdings dem Modell der schenkenden Mutter zuwenden und ihm Wert schenken, dann wird es uns vielleicht möglich, die Projektion unserer kategorischen und linguistischen Muster in unsere Regierungen zu vermeiden. Dann könnten wir einen Weg finden, unser soziales Leben frei von Projektionen und deren unbewussten Entsprechungen zu organisieren. Wir würden andere nicht ausschließen, um nationale oder individuelle Identitäten zu bilden und wir müssten keine Beziehungen zwischen unten und oben, Dingen und Wörtern, Vielen und Einen schaffen, um individuelle wie kollektive Entscheidungen zu treffen. Vielmehr würde Kommunikation als ein Gemeinschaftsbildungsprozess verstanden werden, der darauf beruht, dass das Befriedigen von Bedürfnissen auf allen Ebenen als die Grundlage wirklicher Bedeutung bzw. als das leitende Prinzip sozialer Organisation verstanden wird.
Die Repräsentanten (diejenigen, die sich in der Position des Wortes befinden) sind manchmal selbst in Kategorien organisiert, die an die Geschlechtskategorien erinnern. In den USA richten zum Beispiel Mitglieder der Demokratischen Partei gewöhnlich etwas mehr Aufmerksamkeit auf die Bedürfnisse der Menschen, während Mitglieder der Republikanischen Partei meist nur auf Profit und nationalen Chauvinismus ausgerichtet sind. Beide Parteien funktionieren dabei nach dem männlichen Modell: die Republikaner machistisch, die Demokraten paternalistisch.


Der Tauschwert ist qualitativ einfach, sodass er quantitativ aufgeteilt werden kann. Das Geld ist der materielle Wort-Prototyp, der die manipulierten kommunikativen Bedürfnisse des Tausches und des Privateigentums befriedigt. Das Geld ist somit gewissermaßen ein kommunikatives Bedürfnis nach einer Repräsentation des Schenkens, wenn nicht geschenkt wird.

Karl Marx, Das Kapital 1, MEW 23, S. 83.

ebda.

 

Der sexistische Zeiger der Demokratie

Die moderne Demokratie reflektiert das Problem der Maskulisierung deshalb stärker als die Tyrannei oder die Monarchie, da sie der Epoche des Tausches entstammt, in der das Geld-Wort, das allgemeine Äquivalent, die Rolle des Königs übernommen hat. Dies erlaubt uns jedoch auch, das Problem wirklich als ein systematisches zu verstehen und es nicht auf den individuellen Charakter eines bestimmten Einen zu reduzieren – sei es der König, der Thronfolger, der Vater, oder auch eine Nation oder Rasse. So sehr wir auch das Gold oder andere Zahlungsmittel fetischisieren mögen – es ist klar, dass diese keine Personen sind. Dem American Dream zufolge können alle „Geld machen“. Doch auch wenn wir die privilegierte Kategorieposition in einen Bereich verschoben haben, welcher der Maskulisierung entspricht, gibt es Lücken – oder zumindest werden sie behauptet. So wird gesagt, dass alle Zugang zu uneingeschränkten Mengen des allgemeinen Äquivalents haben, unabhängig von Klasse oder Rasse. Alles, was es dazu bedarf, ist Talent, Ausdauer und vielleicht ein bisschen Glück. Dem entspricht die Behauptung, dass alle – unabhängig von Klasse oder Rasse – das genetische „Geschenk“ des Phallus und der Maskulisierung haben können. Demnach wäre niemand per se zum Status eines have-nots verurteilt und alle könnten theoretisch haves sein – was freilich auch umgekehrt gilt: alle könnten theoretisch auch eine nicht-habende Frau sein. Kurz, dadurch dass das Privileg durch die Übernahme des Geldes als Kategorieprototyps von Erbfolgen gelöst und flexibler wurde, werden Sozialisierung, kapitalistisches Geschick, oder auch reiner Zufall, zu den entscheidenden Faktoren im Erwerb der Positionen des Prototypen bzw. des Einen.
In der „Demokratie“ der griechischen Antike war die Herrschaft des Phallus eine direkte, wie Eva Keuls in ihrem gleichnamigen Buch zeigt. Sowohl Frauen als auch Sklaven waren zu jener Zeit have-nots bzw. Unterlegene, die Bedürfnisse befriedigten. Die Kategorisierung des Geschlechts verband sich mit Kategorisierungen der Nationalität und Klasse, um einer relativ großen Gruppe Zugang zu privilegierten Eine-Positionen zu verschaffen. Keuls beschreibt in ihrem Buch die Herme: anthropomorphe Statuen von Penissen mit (Extra)Penissen, die an den Türen zu griechischen Häusern standen. Die Herme scheinen mir Versuche gewesen zu sein, eine selbstähnliche Beziehung zu konkretisieren.
Dies erinnert mich auch an etwas, das ich immer interessant fand, jedoch nie wirklich verstand: die Ähnlichkeit zwischen dem Kapital und dem Kapitell. In Symbolic Economies spricht Jean-Joseph Goux viel über das Verhältnis von Kapitalismus und caput, dem „Kopf“ im Lateinischen. Vielleicht sind Säulen Bilder von Phallussen, die von Hermen kommen und zusammengeführt wurden, um den Tempel zu stützen, das Bild des phallischen Staates. Das Kapital wäre dann tatsächlich der Kopf – aber nicht der einer Person, sondern der des Phallus.
Athena, die Kriegsgöttin, die der Stadt ihren Namen gab, ihre männlichen Bürger versorgte und im Kampf beschützte, wohnt im Tempel (oder ist dort gefangen). Von Zeus’ Kopf geboren, führt sie maskulisierte Funktionen aus: sie privilegiert die Athener, sie versorgt und schützt sie und sie nimmt selber das männliche Verhalten der Kriegerin an. Athener wurden als Männer maskulisiert, verbanden sich aber in ihrem Namen. Darstellungen von Schlachten, in denen sie die Amazonen schlugen, finden sich überall im Kunsterbe der Stadt.
Athena ist die Frau, die Männern hilft, Frauen und andere Nationen und Klassen zu erobern. Sie ist das Symbol der Weise, auf die Männer kollektiv Macht über andere erwerben, und ihr wird gehuldigt durch das Symbol der kollektiven männlichen Säulenerektionen. Ihr Name, der dem Nationalstaat gegeben wurde, passt gut zu dem Zusammenfindungsprozess, der stattgefunden hat. Dieser basierte nicht auf der Fürsorge von Frauen, sondern auf dem männlichen Zusammenfinden in der Schlacht, den Rednerbühnen oder dem sportlichen Wettkampf – überall dort, wo es darum ging, sich die Position des privilegierten Einen zu erkämpfen. Doch gab es im Athen der Antike noch ein weiteres Element, das das Zusammenfinden der Männer erleichterte: die gemeinsame Freude über ihre bürgerlichen Freiheiten bzw. über das Privileg, das Frauen und Sklaven nicht zukam.
Die Maskulisierung ist ein artifizieller Prozess und braucht Bilder seiner selbst für seine Bestätigung. (Schließlich war es ein Bild – nämlich das des Penis –, das die Buben zu Beginn der nicht-fürsorglichen Kategorie zuwies.) Die phallischen Bilder, die wir als Beweis selbstähnlicher Strukturen auf allen gesellschaftlichen Ebenen antreffen, könnten somit als Notwendigkeit interpretiert werden, die Welt für den Buben, der sich von seiner Mutter „deidentifiziert“ hat, vertraulicher und freundlicher zu machen. Doch was auch immer der Grund dafür sein mag – Tatsache ist, dass das Patriarchat (Puerarchat) unentwegt und überall seine eigenen Bilder schafft und jedes Mal den Phallus repräsentiert, wenn es um den Eintritt in die privilegierte Kategorie geht.
Der „Schlüssel“ des Problems (ein weiteres hermeartiges phallisches Symbol) scheint mir in der Ähnlichkeit zwischen Hermen, Säulen und Männern zu liegen. Wenn die Herme eine mannsgroße Statue eines Penis mit einem Penis ist und die Säule eine zu einem gigantischen Penis transformierte Herme, heißt das dann, dass ein aufrecht stehender Mann auch einem Penis entspricht? Dass er seinen eigenen erigierten Phallus widerspiegelt? Dass sein Kopf und der Eichel seines Penis gleich ist? Wenn das so wäre, dann würde das Bedürfnis des Mannes nach selbstähnlichen phallischen Bildern teilweise bereits von seinem eigenen Körper befriedigt. Er wäre sein Phallus und umgekehrt.
Wir sind den allgegenwärtigen phallischen Bildern gegenüber blind geworden bzw. haben gelernt, nicht über sie als solche zu sprechen. Sie scheinen Symptome einer Massenpsychose zu sein, die von der Maskulisierung stammt. Wenn uns jedoch einmal (buchstäblich) die Schuppen von den Augen fallen, dann erkennen wir diese Bilder als das, was sie sind. Dann erkennen wir, dass sie sich überall in unserer Geschichte gefunden haben. Denken wir nur an das antike Bild der Uräusschlange: des Kobrakopfschmucks, den die ägyptischen Pharaonen und Götter trugen. Dieser auf dem menschlichen Haupt getragene phallische Schlangenkopf war nichts anderes als das Symbol der Macht des Einen über die Vielen.
Die meisten todbringenden Waffen sind, wie wir gesehen haben, index-phallische Symbole. Jedes „Mitglied“ der Armee hat sein „Gewehr“. Kennzeichen der Eroberung – von Obelisken zu Fahnenmasten – charakterisieren unsere patriarchale Landschaft. Andere Beispiele: Skinheads, deren haarlose Köpfe auf das Organ männlicher Gewalt anspielen; oder Joe Camel, der immer wie ein Phallus aussieht und als Herme um seine Zigaretten wirbt (wobei eine Zigarette immer als zusätzlicher kleiner Phallus aus seinem hermeartigen Gesicht steht).
Wenn wir das Eigentum als das sehen, was privilegierte Eine besitzen, dann wäre das Kapital das Eigentum, das sich selbst in phallischer Selbstähnlichkeit maskulisiert und dadurch ins Unendliche wächst, dass es einen immer noch größeren Geld-Namen verdient, da es ihm gelingt, einen immer noch größeren Fluss (versteckter) Geschenke auf sich selbst – das zentralisierende, unendlich vergrößerbare Eine – zu lenken. Als ökonomisch selbstähnliches Bild der Maskulisierung mit phallischen Motivationen (tatsächlich strömen versteckte Geschenke zu Kapitalinvestitionen wie Blut zum erigierten Penis) transformiert das Kapital sich selbst vom Wort zum Wert-Äquivalent bzw. Geld-Prototyp der Produkte im Tausch, während es die ArbeiterInnen durch den Lohn kontrolliert. Als Akkumulation, die einem erlaubt, anderen zu sagen, was sie zu tun haben, schafft das Kapital einen Prototyp-Phallus-Kapitalisten nach seinem Bilde, der gleichzeitig das Kapital nach seinem eigenen schafft. Heute haben wir mehrere riesige Kapitale, die den Staat in ihrer Gewalt haben. Die führenden Köpfe dieser Kapitale sind die Pfeiler und Kapitalisten der entsprechenden Gesellschaftsformen.
Die Erektion erscheint als privilegiertes Eines und geht eine Beziehung zu einem sexuellen Objekt ein, das für diesen Moment auch als Eines ausgewählt wurde – zum Beispiel als Prototypfrau. Athena diente als die vergegenständlichte Prototypfrau, durch die die Bürger Athens ihren gemeinsamen „phallischen Stand“ erlangten. Das fasces war auch ein Bündel, das von einem seiner eigenen Teile zusammengehalten wurde. Der phallische Hitlergruß lässt sich ähnlich analysieren. Doch muss es Wege geben, den Staat zu organisieren, die keine Führung von Phallussen verlangen. (Und keine Bilder gemeinsamer Erektionen, die an Gang Rape erinnern.)
Es ist nicht die Entsprechung zwischen Wort und Ding (oder zwischen Erektion und ausgewählter Frau), die Bedeutung schafft, sondern die Antwort auf menschliche Bedürfnisse, die sowohl Wörter als auch Dinge betreffen und damit immer auch kommunikative Bedürfnisse sind. In ähnlichem Sinne ist es – trotz der allgemeinen Verleugnung und Abwertung des Schenkens – nicht das Entsprechen oder die Korrespondenz zwischen Geld und Ware, die ökonomischen Wert schafft, sondern die Antwort sowohl auf kommunikative wie materielle Bedürfnisse.
Die Entsprechungen zwischen Wort und Ding, Geld und Ware, Mann und Bube oder Mann und Frau fesseln unsere Aufmerksamkeit unentwegt an Eins-Viele-Strukturen und deren Beziehungen abstrakter Gleichheit. Damit entfernen wir uns immer mehr von den Bedürfnissen. Dies ist ein weiterer Grund, warum wir Wert nicht als ein Geschenk erkennen, das etwas, das kollektiv wertgeschätzt wird, kollektiv zugeschrieben wird. Stattdessen wird jeder selbstähnliche Aspekt des Patriarchats isoliert betrachtet, da sein Kategorieprototyp sich von den anderen zu unterscheiden scheint. (Zumal wir die Prototypen auch als Quelle ihres eigenen Werts betrachten.) Die Beziehung zwischen dem Präsidenten, den Senatoren oder den Kongressmitgliedern auf der einen und ihrer Wählerschaft auf der anderen Seite wird getrennt betrachtet von – beispielsweise – der Beziehung zwischen Geld und Ware. (Siehe Graphik 38.) Während es natürlich stimmt, dass es sich hier um verschiedene Ebenen handelt, liegt der Hauptgrund dafür in der Tatsache, dass wir gelernt haben, die Gemeinsamkeiten dieser Beziehungen zu ignorieren und zu verleugnen – oder sie erst gar nicht mehr wahrzunehmen.
Unser kritischer Zugang zum Patriarchat ist diffus und zersplittert und kann als solcher leicht kontrolliert werden. Wir konzentrieren uns jeweils nur auf einen Teil des Systems, anstatt eine allgemeine Kritik zu entwickeln und eine globale Alternative anzubieten. Eine bruchstückhafte Kritik kann nur zu bruchstückhaften Resultate gelangen (so wichtig diese auch sein mögen). Wenn nur ein einzelner Teil des patriarchalen Systems durch unsere Kritik geschwächt wird, wird es immer andere, intakte Teile geben, die ihn ersetzen werden. Das patriarchale System ist wie eine Hydra: sobald ein Kopf abgeschlagen ist, tauchen sofort andere an seiner Stelle auf. Das Kapital ist nur einer dieser Köpfe. Wir müssen uns der reproduzierenden Logik des Systems selbst zuwenden. Nur dann können wir den gesamten patriarchalen Mechanismus in Gefahr bringen.


Electronic Banking und die Vermehrung von Kreditkarten dematerialisieren das Geld, das damit seine Rolle als materielles Wort verliert und wieder zu einem Element der Sprache wird.

Eva Keuls, The Reign of the Phallus: Sexual Politics in Ancient Athens.

Anm. d. Übers.: Im Englischen beides capital.

Jean-Joseph Goux, Symbolic Economies, S. 44-47.

Keuls, The Reign of the Phallus, S. 44ff.

Anm. d. Übers.: Sowohl member („Mitglied“) als auch gun („Gewehr“) können im Englischen als Slangwörter für den Penis angewandt werden.

 

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